Wieviel Fluoreszenz zeigt ein Polymer für eine Qualitätskontrolle?
Fluoreszenzspektroskopie von Basispolymeren aus der Industrie
Mikroplastik und Kunststoffe in der Umwelt sind weltweit eine der größten Herausforderungen: für die Menschheit, die Tierwelt und die Umwelt. Am Beispiel von PET-Flaschen wurde gezeigt, dass deren Fluoreszenz-Intensität Rückschlüsse auf die Materialzusammensetzung gibt.
Wie zuvor bereits berichtet, lässt sich Polyethylenterephthalat (PET) mit der Fluoreszenz-Spektroskopie gut untersuchen, wobei einfach ein Stück der PET-Flaschenwand zur Fluoreszenzbestimmung genutzt wurde. Fluorophore wurden dabei sichtbar, die man vielleicht nicht in den transparenten, farblosen oder leicht bläulichen klaren Polymerstücken vermutet hätte.
Im nächsten Schritt werden Polymere untersucht, die nicht aus dem Verbraucherbereich kommen, sondern „frisch“ oder „rezykliert“ direkt aus der industriellen Herstellung. Dazu wurden glasklare und farblose Polymere ausgewählt, wie Polycarbonat (PC), Polystyrol (GPPS), Styrolacrylnitril (SAN) und ein Rezyklat aus Polycarbonat (PCrec). Die hier aufgezählten industriellen Polymervarianten werden als „Glas-Ersatz“ zum Beispiel in der Industrie eingesetzt, weil sie Härte (Schlagfestigkeit) und Robustheit mit sich bringen. Die Granulate zeigen teils eine zylindrische Form oder leicht trübe Linsenform. Die untersuchten Biopolymergranulate, wie Polylactide (PLA) und Polybutylensuccinat (PBS), waren transparent und farblos, mit leichter Trübung. Die nicht-aromatischen Polymere wie Polypropylen (PPhomo), Polyethylen (PE) und Polyvinylchlorid (PVCsoft) erschienen ebenfalls als farblose, trübe und weiche Granulate in Linsenform.
„Industrielle“ Polymere und wiederverwertete Polymere sind in dieser Applikation alle farblos, transparent oder trübe. Die Erwartung wäre, dass nun alle Polymere ihre naturgemäße Fluoreszenz zeigen.
Fluoreszenz kann dann entstehen, wenn das Molekül viel Energie aufnehmen kann. Betrachtet man die Moleküle von PC, GPPS und SAN oder dem PET, dann lassen sich in den Strukturen energiereiche Ringsysteme erkennen.
Fluoreszenz und Phosphoreszenz
Wenn ein Elektron im Grundlevel S0-Licht ausgesetzt wird, verändert sich die Energie des Elektrons im Molekül. Dadurch wird es in den angeregten Zustand S1 mit höherem Energielevel gebracht (Abbildung 2). Dieser angeregte Zustand ist nicht langzeitstabil und verändert sich schnell, in dem es dem Grundzustand entgegenstrebt. Das angeregte Elektron wird deaktiviert unter Ausstrahlung der Energie durch Hitze oder Licht. Das Licht dieses Wegs von Zustand S1 zu S0 wird Fluoreszenz genannt. Der zweite aufgeführte Weg der Anregung von T1 nach S0 wird Phosphoreszenz genannt. Im T1- Zustand befinden sich drei Elektronen auf höherem Energieniveau (angeregter Triplett-Zustand). S1 ist der Angeregte-Singulett- Zustand (1 angeregtes Elektron auf höherem Energielevel).
Polycarbonate enthalten mehrere phenylbasierende Molekülgruppen, die sehr energiereich sind durch die π-Elektronen der Doppelbindung im Ring. In der Fluoreszenz lassen sich aus einem energiereichen Ringsystem mit harter Strahlung Elektronen in höhere energetische Orbitale (S1) heben. Diese Energielage ist instabil und das Elektron verlässt dieses Orbital unter Aussenden von Photonen (Leuchten = Fluoreszenz).
Die Bedeutung der Phenyl-Gruppe
Die allgemeine Struktur der PC ist
wobei R als Platzhalter für Hydroxyphenole steht. Am bekanntesten ist die PC-Variante, die mit Bisphenol A unter Einsatz von Phosgen hergestellt wird, wobei Phenol als Abfallprodukt anfällt.
Die Molekülstruktur zeigt 2-Ringsysteme (phenolisch) und eine Carbonylgruppe mit der üblichen -C=O Doppelbindung, die durch die Stellung in der Estergruppe R-CO2- elektronisch aufgeweicht wird. Hier stehen genügend π-Elektronen für eine Fluoreszenz zur Verfügung. In dem in dieser Applikation verwendeten Polycarbonat, ist das PCMonomer auf Basis von BPA (Bisphenol A) erstellt worden. Rezyklierte Proben des PC sollten im Sinne einer Qualitätskontrolle zu identifizieren sein, da diese Spuren fluoreszierender Beimengungen enthalten können.
Rein chemisch besteht SAN aus Styrol und Acrylnitril. Als dominierende Molekülstruktur liegt wieder der Phenylring in der Styrol-Komponente vor.
Da bei allen betrachteten Polymeren die Phenyl-Gruppe eine bedeutende Rolle in der Molekülstruktur spielt, könnte man davon ausgehen, dass die analytischen Fluoreszenzwellenlängenpaare in gleichen Bereichen zu finden sind.
Polylactide und Polybutylensuccinat sind Kettenmoleküle, die eine Estergruppe enthalten, die mit energiereichen Elektronen ausgerüstet sind, wie es in den Strukturen zu erkennen ist.
PLA
PBS
PE, PP und PVC sind im Vergleich dazu Kettenmoleküle, bei denen keine überschüssigen energiereichen π-Elektronenverbindungen oder aromatische Elemente für eine Fluoreszenz zur Verfügung stehen.
Abbildung 2 (links): Prinzip der Fluoreszenz
Abbildung 3 (rechts): Fluoreszenzspektren von sechs unterschiedlichen Polymeren: oben von links nach rechts – GPPS, PC und PBS; unten von links nach rechts – SAN, PCrec und PLA (Positionen der Spots in der EEM siehe Tabelle 1 [Seite 28]).
Probenvorbereitung
Die Probengröße und Position in dem Bariumsulfat (BaSO4)-Bett im Feststoffhalter sind bei den Messungen zu berücksichtigen. Das Experiment mit den Granulaten zeigte, dass die Spaltgeometrie des Lichtspots eine wesentliche Rolle spielt. Die Abbildung des Spalts (Rechteck) zielt genau auf das Zentrum des runden Halters. Der Innendurchmesser des BaSO4-Betts ist 2,5 cm. Je nach gewähltem Spalt wird diese runde Fläche entsprechend mehr oder weniger groß rechteckig ausgeleuchtet. Das Granulat wurde im Zentrum des Halters eingebettet und mit einer Quarzplatte verschlossen. Dies wird erwähnt, da die Granulate nicht eben sind und diese sich aufgrund ihrer Größe und Härte nicht mit dem BaSO4 homogenisieren lassen. BaSO4 ist hier in der Funktion als Fixierpulver.
Polymer | Bereich [nm] | Form [μm] |
---|---|---|
Industriell | Hotspot (EM/EX) | Pellet |
PC | 350/310 | Zylindrisch |
PC rec | 305/290 | Linse |
350/310 | ||
435/375 | ||
435/400 | ||
SAN | 315/290 | Zylindrisch |
370/315 | ||
400/350 | ||
GPPS | 310/290 | Zylindrisch |
Biopolymer | ||
PLA | 370/275 | Linse |
440/360 | ||
PBS | 430/360 | Linse |
Nicht aromatisch | ||
LDPE | 285/260 | Trübe Linse |
330/290 | ||
PP homo | 300/280 | Trübe Linse |
330/300 | ||
PVC soft | 405/325 | Trübe Linse |
445/360 |
Tabelle 1: Aktive Fluoreszenzzonen (Hotspots) von den Polymergranulaten in unterschiedlichen Erscheinungsformen – Granulat zylindrisch und linsenförmig
Auswertung der Messungen
Gemäß der beschriebenen Natur zeigen die verschiedenen Polymere auch verschiedene Fluoreszenz. In den Abbildungen 3 (Seite 27) und 4 sind die ermittelten EEM-Matrizen (Anregungs [Excitation]-Emission-Matrix) dargestellt.
Auffällig ist, dass sich in allen Polymeren Fluoreszenzaktivitäten finden ließen. Die erwartete Aussage „keine Fluoreszenz mit LDPE und PP” wurde nicht erfüllt. Es scheinen hier bereits Zuschlagstoffe enthalten zu sein, die eine Fluoreszenz begünstigen. Der Vergleich zwischen PC und PCrec ist ein Beispiel, das zeigt, dass mit Hilfe eines Zuschlagsstoffs (zum Bleichen) das Rezyklat farblos und transparent erscheinen soll (Tabelle 1).
Fazit
Jedes hier eingesetzte Polymer weist ein eigenes Fluoreszenzspektrum auf. Bei den industriellen Kunststoffen PC, GPPS, SAN wird die Fluoreszenz von der Fluoreszenzaktivität des Phenylrings bestimmt, während die Kettenmoleküle der Kunststoffe PLA und PBS unter anderem durch die Ester fluoreszieren. Gemäß des Molekülaufbaus und sterischer Hinderungen und unterschiedlicher Anregungspositionen in dem kompakten PLA-Molekül weist dieses dem Bedarf an Energie entsprechend harte Strahlung auf, während das PBS mit langen CH2-Ketten weniger harte Strahlung benötigt. Die nicht-aromatischen Polymere wie LDPE, PPhomo und PVCsoft weisen Fluoreszenz auf, obwohl man in diesen π-Elektronen armen Stoffen keine erwartet.
Die Fluoreszenzspektroskopie lässt sich somit einfach für eine Qualitätskontrolle einsetzen, um „Unsichtbares“ sichtbar zu machen.